Götschendorf liegt am Südufer des Kölpinsees (Uckermark). Im Laufe der Geschichte trug der Ort mehrere Namen.

  • 1375 wurde Cocykendorp im Landbuch Kaiser Karls V. mit 60 Hofstellen verzeichnet.
  • 1472 bis 1872 waren die von Arnim Lehnsherren von Getzenkendorff.
  • Seit 1684 war Gotzkendorff Rittersitz der Familie von Arnim.
  • 1860 gab es in Götschendorf acht Wohnhäuser und 17 Wirtschaftsgebäude.
  • 1910 wurde das Herrenhaus erbaut.
  • 1939 hatte Götschendorf 233 Einwohner.
  • 1949 wurden 1860 Hektar Land enteignet und an landlose Bauern, Umsiedler, an Forst, Fischerei und Gemeinde verteilt. Zu dieser Zeit zählte das Dorf 378 Einwohner
  • 1956 wurde eine LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) mit 15 Mitgliedern gegründet, die sich 1960 der LPG Milmersdorf anschloss
  • 1961 nahm das Betonwerk die Produktion auf
  • 1973 wurde Götschendorf ein Ortsteil von Milmersdorf
  • 1981 hatten beide Gemeinden zusammen 2522 Einwohner
  • Am 31. Dezember 2006 werden nur noch 1791 Enwohner gezählt.

Götschendorf. Buckelpiste ist noch eine vornehme Umschreibung für die Landstraße 23, eine der Lebensadern von Götschendorf in der Uckermark. Um die wenigen links und rechts abzweigenden Wege hin zu den größtenteils liebevoll renovierten oder neu gebauten Eigenheimen und der Gartensiedlung ist es noch schlimmer bestellt. Hier reiht sich Kuhle an Kuhle. Bei Regenwetter müssen Autofahrer derart oft am Lenkrad drehen, um den in ihrer Tiefe unberechenbaren Pfützen ausweichen zu können, dass die Gefahr von Brandblasen an den Händen stets mitfährt. Der erste Eindruck von Götschendorf verrät: Hier kämpft ein Dorf ums Überleben.Dabei ist Götschendorf genau genommen schon lange keine eigenständige Gemeinde mehr, sondern bereits seit 1973, also seit DDR-Zeiten, ein Ortsteil des drei Kilometer entfernt liegenden Milmersdorf. „Dennoch fühlen sich hier die meisten immer noch als echte Götschendorfer“, sagt Erna Liebthal, die Wirtin der „Roten Nelke“, der einzigen Gaststätte im Ort. Liebthal wurde 1942 in Götschendorf geboren und zählt zu denen, die mit viel Herzblut für die Zukunft des Ortes kämpfen. „Insbesondere weil es manchmal so aussieht, als ob die in Milmersdorf uns hier schon vergessen haben“, sagt sie.

Mit glänzenden Augen hält Liebthal ein Plakat in die Kamera, das vom heutigen Dorffest kündet. „Es ist bereits das 25. – mit allem, was dazugehört, unter anderem mit einer Tombola, Ponyreiten, Volleyball, Gulasch, Grillfleisch, Tanz und einer Travestieshow zu nächtlicher Stunde“, erzählt die Chefin der „Roten Nelke“. Auf die Beine gestellt habe das Fest der siebenköpfige Dorfverein, dessen Mitglied sie sei. „Ich hoffe, dass wie im Vorjahr mindestens 200 Leute auf den Dorfplatz kommen“, sagt Liebthal.Hoffnungen mit dem Jahr 2007 verbinden auch Bernd Enderling, Ralf Manke und Helmut Stephan. Sie wissen zu berichten, welch seltsame Wege die Marktwirtschaft manchmal geht – auch in Götschendorf. Enderling und Manke sind Geschäftsführer der Betonwerk GmbH Milmersdorf mit Sitz in Götschendorf; Stephan arbeitet für die Kuste Baugesellschaft aus Mühlenbeck (Oberhavel-Kreis), die von russischen Mönchen als Generalauftragnehmer eingesetzt worden ist, das alte Herrenhaus zu sanieren sowie ein Wohngebäude für Mönche und eine Kirche zu erreichten. Und das alles eben nicht irgendwo in der Welt, sondern in Götschendorf in der Uckermark. Manke und Enderling sind seit November 2005 Geschäftsführer des Betonwerks. Die 1961 gebaute Fabrik war einst das größte Betonwerk der DDR mit rund 1000 Mitarbeitern.

Als knapp elf Jahre nach der Wende der Bauboom einbrach, wurden die Zeiten für das Werk deutlich schwerer. 2004 schließlich musste Beton Nord mit den noch verbliebenen rund 120 Mitarbeitern Insolvenz anmelden. Manke erfuhr durch Zufall davon. Er hatte damals Stahlbetondecken für den Hausbau aus Götschendorf bezogen. Irgendwann habe allerdings ein Vertriebsmitarbeiter des Betonwerkes Nord gesagt, für November könnten keine Aufträge mehr angenommen werden. Die Firma sei in Insolvenz gegangen.

„Bei so einem guten Produkt wie den dort produzierten Deckenplatten – das kann ja wohl nicht wahr sein, war mein erste Gedanke“, erinnert sich Manke. Eine Mitarbeiterin des Betonwerkes habe dann bei einem Telefongespräch kurzerhand gesagt: „Kommen Sie her, schauen Sie sich das Werk an und dann kaufen Sie uns doch einfach.“ Und dazu sei es dann tatsächlich gekommen, erzählt Enderling, der zudem viel Wert darauf legt, die „gute Arbeit“ des Insolvenzverwalters zu unterstreichen. „Der Rechtsanwalt Horst Piepenburg hat das Werk in der Insolvenz mit 50 Leuten weitergeführt. Andere hätten vielleicht Schweißer nach Götschendorf geschickt, den dort reichlich vorhandenen Stahl klein schneiden lassen und verkauft“, lobt er den Mann aus Düsseldorf. Piepenburg jedoch habe erkannt, welch gutes Produkt mit den Deckenplatten hier hergestellt werde.

„Das war für uns ein weiteres Zeichen, dass sich unser Engagement in Götschendorf lohnen könnte.“ 2005 habe er dann zusammen mit Manke eine GmbH gegründet. „Wir sind uns mit Piepenburg über den Preis einig geworden und haben die Firma im November gekauft“, erzählt Enderling. Heute würden rund 50 Mitarbeiter im Werk arbeiten und im Jahr zwischen 70 000 und 80 000 Quadratmeter Deckenplatten produzieren. 2006 habe der Umsatz zwischen vier und fünf Millionen Euro gelegen.

„Ich hoffe, dass wir 2007 ein ähnliches Ergebnis erreichen können“, erklärt der Geschäftsführer. Allerdings werde das nicht einfach. Insbesondere die Baugenehmigungen für den Wohnungsbau seien sehr stark zurückgegangen. Das erschwere natürlich den Absatz von Deckenplatten. „Wir wollen daher versuchen, uns für unsere Vollmontagedeckensysteme, Balkonplatten und Treppen neue Absatzmärkte in Polen und den skandinavischen Ländern zu erschließen“, steckt Enderling den Kurs ab.

Unterdessen gibt es auch neue Hoffnung für das 1910 erbaute Herrenhaus in Götschendorf. Bis 1975 diente das Anwesen als Erholungsheim für die Nationale Volksarmee (NVA). Dann machten es sich die Mitarbeiter des Rates des Bezirkes Frankfurt (Oder) im Schloss gemütlich. Nach der Wende zog Ruhe ins Gutshaus ein, der Verfall von Gebäude und Anwesen nahm weiter Fahrt auf. Vergeblich bemühte sich das Land Brandenburg jahrelang, das Gutshaus an die Frau oder den Mann zu bringen. „Irgendwann hat sogar mal jemand versucht, dort eine Kneipe aufzumachen. Das war von Anfang an ein tot geborenes Kind“, erzählt der Rentner Eberhard Schöndorfer in der „Roten Nelke“ beim Mittagessen.In diesem Jahr nun hat das idyllisch am Kölpinsee gelegene Schloss überraschend doch einen Käufer gefunden. Die Berliner Diözese der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats ist neuer Schlossherr. Rund 30 Mönche sollen künftig auf dem Anwesen wohnen. Die Diözese hat Großes vor: Das Schloss mit seinen rund 16 000 Quadratmetern soll vollständig saniert werden, der Neubau eines Wohnhauses und einer Kirche mit einem 27 Meter hohem Turm ist geplant.

Die Mönche meinen es ernst. In dieser Woche haben die Arbeiten zur Verlegung von Wasser- und Abwasserleitungen zum Schloss begonnen. Helmut Stephan vom Generalauftragnehmer hat sich in einem alten Nebengebäude bereits ein Büro eingerichtet. Bei einem Rundgang durch das Herrenhaus zeigt er, wie viel Arbeit notwendig sein wird, bis die ersten Mönche einziehen können. „Nach dem derzeitigen Stand muss wohl mit einer Investitionssumme von fünf Millionen Euro gerechnet werden“, sagt er. Die Mittel für den Bau des rund 450 Quadratmeter Wohnfläche umfassenden Neubaus und der 400 Quadratmeter großen Kirche mit inbegriffen. Wenn alles klappe und die Baugenehmigungen vollzählig vorliegen, dann könnten im September die Bauleute anrücken. Ende 2008 sollen die ersten Mönche einziehen. Stephan verspricht, möglichst auf Baufirmen aus der Region zurückzugreifen.

Eberhard Schöndorfer bleibt dennoch skeptisch. „Wir werden sehen, was aus dem alten Schloss wird“, sagt er. Eines der Hauptprobleme Götschendorfs sei doch, dass die jungen Leute weggezogen sind, „der Arbeit hinterher“, weiß der 74-Jährige. Ob sich da durch das Kloster was ändern werde, „das darf getrost bezweifelt werden“.

Zu denen, die der Arbeit hinterherziehen wollen, zählt die 17-jährige Sarah Reschke. „Meine Freundinnen und Freunde sind alle schon weg“, sagt sie. Sie habe sich für eine Lehre als Hotelfachfrau auf Rügen und als Industriekauffrau in Eberswalde beworben. „Ich bin optimistisch“, schiebt sie gut gelaunt nach. Zunächst jedoch wolle sie am Dorffest teilnehmen. „Volleyball spielen, da das Fußballturnier ja leider nicht mehr stattfindet – sind wohl schon zu wenig Mitspieler“, vermutet sie.Wenn es mit der Lehrstelle klappt, wird Sarah jedoch Götschendorf nicht gleich ganz verloren gehen. An den Wochenenden will sie möglichst oft ihre Familie besuchen. „Ob ich nach der Lehre in die Region zurückkehren werde, das hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung hier ab. Aber solange man im Westen noch deutlich mehr verdienen kann …“, blickt sie lächelnd in die Zukunft.

Quelle: http://www.nordkurier.de/index.php?objekt=nk.nachrichten.ortstermin&id=259057